01.07.2020
Brandenburg übergibt Vorsitz an Bremen
Die Hauptkonferenz der 15. Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren (IntMK) sollte eigentlich am 29. und 30. April 2020 in der Landeshauptstadt Potsdam stattfinden. Brandenburg als Vorsitzland bereitete dafür alles mit Hochdruck vor – bis zum Ausbruch der Corona-Krise. Das Covid-19-Infektionsgeschehen erzwang die Absage dieser wichtigen Länderfachministerkonferenz. Trotz erschwerter Bedingungen haben die Länder jetzt in einem Umlaufverfahren zwölf Anträge beschlossen. Der IntMK-Vorsitz wechselt zum 1. Juli nach Bremen.
Ziele der Beschlüsse sind unter anderem Hasskriminalität und Rechtsextremismus in Deutschland noch stärker zu bekämpfen, den Zugang zu Integrationskursen und Berufssprachkursen für Geflüchtete zu erweitern sowie eine digitale Unterstützung des Spracherwerbs und der beruflichen Qualifizierung zu forcieren.
Die IntMK-Vorsitzende und Brandenburger Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte zum Abschluss: „Das Land Brandenburg hätte die Konferenz sehr gerne ausgerichtet. Die Bewältigung der Corona-Krise und der Infektionsschutz der Bevölkerung haben aber selbstverständlich Vorrang. Umso erfreulicher ist es, dass wir trotz erschwerter Bedingungen gemeinsam wichtige Vereinbarungen getroffen haben. Gerade im Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus müssen wir weiter entschlossen handeln. Nicht nur Anfeindungen im Alltag, auch die Bereitschaft zur Ausübung psychischer und physischer Gewalt nehmen zu, wie die Anschläge in Hanau und Halle, der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie die Übergriffe gegen Politiker in bestürzender Weise zeigen. Auch wirken Ungleichwertigkeitsvorstellungen inzwischen weit in die Gesellschaft hinein. Durch Anonymität und Vernetzung im Internet sinken Hemmschwellen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die Integrationsministerkonferenz setzt hier ein klares Zeichen. Neben dem besseren Schutz bedrohter Menschen und Einrichtungen müssen wir noch viel stärker präventiv tätig werden.“
In der Gesellschaft lässt sich eine zunehmende Polarisierung beobachten und eine Zunahme rassistischer, rechtsextremistischer, antisemitischer, antimuslimischer und homophober Einstellungen. Dies erfüllt die für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren (Integrationsministerkonferenz) mit großer Sorge. Mit einem einstimmig angenommenen Antrag setzen sie sich daher dafür ein, solchen Radikalisierungsprozessen entgegenzuwirken und die Demokratieförderung auf eine dauerhafte und verlässliche Basis zu stellen.
„Rassismus und Diskriminierung stellen wir uns in allen Bereichen und auf allen Ebenen entschieden entgegen. Als Integrationsministerinnen und -minister ist es uns ein besonderes Anliegen zu verdeutlichen, dass Vielfalt und vielfältige Lebensentwürfe in Deutschland ihren festen Platz haben. Hass und Gewalt dürfen sich in unserer Gesellschaft nicht breitmachen. Dafür benötigen wir neben sicherheitspolitischen Schritten gezielte präventive Maßnahmen in der dauerhaften Demokratieförderung“, so die Hamburger Senatorin Dr. Melanie Leonhard (SPD).
Die Integrationsministerkonferenz macht sich weiterhin gezielt für Verbesserungen bei den Integrationskursen stark, so etwa für einen besseren Zugang von Menschen mit Behinderungen oder die Übernahme von Fahrtkosten und die Sicherstellung der Kinderbetreuung bei den Erstorientierungskursen. Zudem setzt sie sich dafür ein, dass alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete Zugang zum Integrationskurssystem erhalten, unabhängig von ihrem Herkunftsland oder ihrer Bleibeperspektive.
Die Integrationsministerin des Saarlandes, Monika Bachmann (CDU), sagte: „Sprache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration und die Grundlage für die Teilhabe in sämtlichen Lebensbereichen. Digitale Instrumente wie Apps, Onlinekurse oder auch Video-Teaching bieten hier zahlreiche Möglichkeiten der orts- und zeitunabhängigen Informations- und Wissensaneignung. Diese Möglichkeiten sollten wir intensiv nutzen, um zugewanderten Menschen in den Bereichen Sprache und Berufsbildung optimale Startvoraussetzungen in Deutschland zu bieten.“
Am 1. Juli übernimmt Bremen für ein Jahr den Vorsitz der 16. Integrationsministerkonferenz. Senatorin Anja Stahmann (Bündnis 90/Die Grünen) sieht mit dem Vorsitz besondere Herausforderungen verbunden: „Das Land Bremen steht nun vor der besonderen Aufgabe, nachdem die Coronakrise tiefgreifend in unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben eingegriffen hat und weiterhin andauert, den wichtigen integrationspolitischen Themen für die Integrationsministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren zukünftig ausreichend Gehör zu verschaffen. Gerade die Schwächeren in unserem Land trifft die Pandemie hart. Dazu gehören auch die Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Armut zu uns gekommen sind.“
Hasskriminalität bekämpfen und Menschen effektiv vor gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus schützen
Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz Der Pressesprecher Positive Erfahrungen mit Demokratie haben gerade in pluralistischen Gesellschaften eine zentrale Bedeutung für die Integration und sind wesentlich für das friedliche Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft.
Die IntMK begrüßt das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität (sogenannter 9-Punkte-Plan). Damit jedoch Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, Journalistinnen und Journalisten wie auch Akteurinnen und Akteure in diesem Handlungsfeld ihre Aufgaben ohne Bedrohungen und weitere Sanktionen verrichten können, bedarf es einer Ausweitung der bisher vorgesehenen Punkte. Bei der Ausarbeitung muss der Stimme der Betroffenen (u.a. Opferberatungsstellen und berührten Verbänden) besonderes Gewicht zukommen.
Die IntMK fordert das Bundesinnenministerium auf, im Rahmen der Ausarbeitung und Umsetzung der Maßnahmen aus dem 9-Punkte-Plan ein Begleitgremium unter Beteiligung der fachlich betroffenen Bundesressorts, fachlich berührte Ministerien der Länder sowie betroffener Gruppierungen und Verbände einzurichten.
Radikalisierungsprozessen entgegenwirken, Demokratie fördern
Mit Sorge registriert die Integrationsministerkonferenz eine zunehmende Radikalisierung in der Gesellschaft. Rassistische, rechtsextremistische, antisemitische, antimuslimische und homophobe Tendenzen erstarken. Vielfältige Lebensentwürfe sind aber alltägliche Realität in Deutschland; sie zu respektieren und zu schützen ist Teil unserer demokratischen Grundordnung. Erst ein respektvolles, friedliches und tolerantes Miteinander ermöglicht allen, auch jeder und jedem Zugewanderten, ihr bzw. sein Leben eigenverantwortlich zu gestalten und sich aktiv in diese Gesellschaft einzubringen. Ausgrenzung, Rassismus, Hass und Gewalt erschweren nicht nur die Integration, sie gefährden auch das gesellschaftliche Miteinander insgesamt.
Die IntMK befürwortet es daher, wenn verstärkte sicherheits- und ordnungspolitische Maßnahmen ergriffen werden, etwa um Synagogen und andere Glaubensorte zu schützen. Sie weist aber darauf hin, dass diese Maßnahmen nur Teil eines umfassenderen Pakets sein können. Als ebenso wesentlich erachtet sie es, präventiv gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Homophobie und andere Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorzugehen.
Sie begrüßt daher die Fortführung des Bundesprogramms „Demokratie leben“ in einer zweiten Förderperiode mit weiteren fünf Jahren (2020-2024). Als notwendig erachtet die Integrationsministerkonferenz allerdings, eine dauerhafte und damit verlässliche Förderstruktur zu schaffen. Erst diese ermöglicht es, langfristig bewährte Vorgehensweisen für die Ertüchtigung der Demokratie zu identifizieren, diese zu verstetigen und über den Austausch auch für andere Nutzer zugänglich zu machen. Dabei sind föderale Kompetenzen zu berücksichtigen.
Zugang zu Integrationskursen und Berufssprachkursen erweitern, Stichtagsregelung aufheben
Die IntMK bekräftigt ihre Forderungen, allen Zugewanderten möglichst schnell nach der Einreise die Teilnahme an einem Integrationskurs zu ermöglichen. Je mehr Zeit seit Beginn des Aufenthalts ungenutzt verstreicht, desto größere Investitionen sind später für die nachholende Integration notwendig. Unabhängig davon haben Deutschkenntnisse auch bei nur vorübergehenden Aufenthalten erhebliche Relevanz für das alltägliche Miteinander oder können bei der Rückkehr in das Herkunftsland als Zusatzqualifikation dienen.
Die IntMK begrüßt daher grundsätzlich die Erweiterung des Zugangs von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie Geduldeten zu den bundesgeförderten Sprachkursangeboten durch das am 1. August 2019 in Kraft getretenen Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz als Teil des Migrationspaketes. Die Erweiterung des Aufenthaltsgesetzes bezieht sich jedoch nur auf gestattete Ausländerinnen und Ausländer, die vor dem 1. August 2019 in das Bundesgebiet eingereist sind. Personen, die nach diesem Stichtag eingereist sind und aus Herkunftsländern mit keiner guten Bleibeperspektive stammen, werden von dieser Erweiterung nicht erfasst. Die IntMK appelliert daher an den Bund, das Stichtagskriterium für Gestattete bei der Sprachförderung zu streichen.
Die IntMK fordert den Bund auf, dem selbst gesteckten Anspruch an das „Gesamtprogramm Sprache“ gerecht zu werden und allgemeine und berufsbezogene Sprachförderung eng miteinander zu verzahnen. Diesem Anspruch wird der Bund durch die unterschiedlichen Zugänge zu Integrationskursen und Berufssprachkursen für Personen mit Duldung nicht gerecht. Die IntMK erneuert und bekräftigt daher ihre Forderung an den Bund, den Zugang zu den Integrationskursen für alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete unabhängig von Herkunftsland oder Bleibeperspektive zu öffnen, wie sie auch der Bundesrat in seiner Entschließung vom 11. Oktober 2019 beschlossen hat.
Einrichtung einer Bund-Länder-AG zur Umsetzung des Asyl- und Migrationsfonds (AMF)
Die Integrationsministerkonferenz beschließt die Einrichtung einer länderoffenen Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) mit dem Ziel der Erarbeitung von Verfahren und zur fachlich-inhaltlichen Abstimmung für die zukünftige Umsetzung des Asyl- und Migrationsfonds (AMF) in der EU-Förderperiode 2021-2027 eingerichtet. Der Vorsitz der Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll beim jeweiligen IntMK-Vorsitzland gemeinsam mit dem BMI liegen. Mit dieser Arbeitsgruppe sollen die Länder bei der gezielten Umsetzung der AMF-Mittel stärker beteiligt werden.
Ministerin Ursula Nonnemacher: „Die Europäische Union wird aller Voraussicht nach den Europäischen Asyl- und Migrationsfonds, mit dem auch die Integration Geflüchteter unterstützt wird, in der kommenden EU-Förderperiode ab 2021 deutlich aufstocken. Bund und Länder haben daher im Rahmen der 15. Integrationsministerkonferenz eine gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um die Planung des Programms auf nationaler Ebene gut abgestimmt vorzubereiten und die Mittel der EU effektiv einzusetzen. Das ist für die erfolgreiche Integrationspolitik der Länder von großer Bedeutung.“
Digitale Unterstützung des Spracherwerbs und der beruflichen Qualifizierung forcieren
Die IntMK sieht im Erwerb der deutschen Sprache und beruflicher Kenntnisse wesentliche Schlüssel für eine erfolgreiche Integration. Sie bittet die Bundesministerien des Innern, für Bau und Heimat, für Arbeit und Soziales sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu prüfen, ob durch den verstärkten Einsatz digitaler Instrumente das Sprachkursangebot sowie die berufliche Qualifizierung von Migranten und Migrantinnen sinnvoll unterstützt werden kann. Der Einsatz digitaler Instrumente sollte insbesondere im Hinblick auf die Vorintegrationsphase von Zuwanderern im Herkunftsland sowie die Integration besonderer Zielgruppen in Deutschland thematisiert werden.
Die Integrationsministerkonferenz (kurz: IntMK) ist ein Gremium der freiwilligen Zusammenarbeit der Länder auf dem Gebiet der Integration. Die Mitglieder sind die für die Integration zuständigen Ministerinnen, Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder. Die IntMK berät und beschließt über grundsätzliche und länderübergreifende Angelegenheiten der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Sie koordiniert und fördert den Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen den Ländern. Außerdem dient die IntMK der Zusammenarbeit mit dem Bund – unabhängig von der förmlich geregelten Rolle des Bundesrates als Verfassungsorgan. Brandenburg hat seit dem 1. Oktober 2019 den turnusmäßigen Vorsitz.
Die Staffelstabsübergabe findet in diesem Jahr bereits zum 1. Juli statt. Dann übernimmt Bremen den Vorsitz. Alle Beschlüsse der 15. Integrationsministerkonferenz sind im Internet veröffentlicht: https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/intmk_2020/ergebnisse
Herbsttreffen (auf fachlicher Arbeitsebene):
10.-11. September 2024 in Hannover
Vorkonferenz (auf fachlicher Arbeitsebene):
19.-20. März 2025 in Hannover
Hauptkonferenz (auf Ministerebene)
23.-24. April 2025 in Göttingen
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung
Hannah-Arendt-Platz 2
30159 Hannover
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